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AcU-Newsletter 03/2019 (Oktober 2019)

Im Interview

Aktuelle Verhandlungen zum Ärztetarif in der Arbeitsrechtlichen Kommission der Caritas

Interview mit Werner Hemmes, Geschäftsführer Barmherzige Brüder Trier gGmbH, Koblenz; Vorstandsmitglied der AcU

Herr Hemmes, in dieser Woche tagt die Bundeskommission und wird über die aktuelle Tarifeinigung für Ärzte und Ärztinnen an kommunalen Krankenhäusern, die zwischen der VKA und dem Marburger Bund getroffen wurde, verhandeln. Was sind die wesentlichen Eckpunkte dieses Abschlusses?
Die Gehälter steigen rückwirkend zum 01.01.2019 um 2,5 %. Dann folgen zwei weitere Erhöhungsschritte um 2 %, jeweils zu Jahresbeginn. Das sind 6,5 % lineare Erhöhung im Gesamtvolumen über 33 Monate und bedeutet: Der letzte Erhöhungsschritt am 01.01.2021 bezieht sich auf nur neun Monate. Im Gleichklang mit der Gehaltssteigerung erhöhen sich rückwirkend zum 01.01.2019 auch die Bereitschaftsdienstentgelte in drei Schritten um insgesamt 6,5 %. Ab dem 01.01.2021 wird auch die Bewertung des Bereitschaftsdienstes als Arbeitszeit durchgehend um weitere 10 % erhöht. Gegenüber der bisherigen Bewertung als Arbeitszeit ist das in allen Stufen eine Steigerung um 10 Prozentpunkte. Zudem wurden Anpassungen bei der Gestaltung von Bereitschaftsdiensten sowie zusätzliche Zuschläge vereinbart: Ab dem 01.01.2020 haben die Ärzte innerhalb eines Kalenderhalbjahres im Durchschnitt je Monat nur vier Bereitschaftsdienste zu leisten. Mit Wirkung zum 01.01.2020 haben Ärzte außerdem Anspruch auf mindestens zwei arbeitsfreie Wochenenden im Monat (Freitag ab 21 Uhr bis Montag 5 Uhr im Durchschnitt eines Kalenderhalbjahres). Weitere Änderungen, die hier nicht alle beschrieben werden können, betreffen z.B. die Dienstplangestaltung und neue Regeln für die Zeiterfassung.

Wie würde sich eine Übernahme der Tarifeinigung speziell für Einrichtungen in der Caritas auswirken?
Unterstellen wir einmal, dass die Bundeskommission der Arbeitsrechtlichen Kommission weitestgehend die Tarifeinigung auch für Einrichtungen der Caritas übernehmen wird. Speziell die Mitarbeiterseite der Bundeskommission besteht sicherlich weiterhin auf der 1:1-Übernahme des Tarifabschlusses. Die finanziellen Auswirkungen der Tarifeinigung insgesamt - also insbesondere unter Berücksichtigung der Gehaltserhöhung bzw. einzelnen Komponenten der Bereitschaftsdienstentgelte - sind für die Einrichtungen der Caritas sicherlich herausfordernd und für viele auch schmerzlich.

Nach ersten Berechnungen für die Wirtschaftsplanung 2020 belaufen sich z.B. die Personalkostenerhöhungen für das Jahr 2020, inklusive der Nachwirkungen aus 2019, für die Anlage 30 auf bis zu 4,5 %. Daneben stellen die strukturellen Änderungen für die Bereitschaftsdienste (wie oben beschrieben) viele kleinere katholische Einrichtungen vor erhebliche Probleme.

Was für Änderungsvorschläge hat der AcU-Tarifausschuss?
Der Tarifausschuss der AcU hat Änderungsvorschläge bzw. konkrete Forderungen für die Verhandlungen in der Arbeitsrechtlichen Kommission ausgearbeitet, die aus Sicht der AcU relevant und notwendig sind, um einen weiteren störungsfreien Betrieb in den Einrichtungen zu gewährleisten. Im Einzelnen zu nennen sind in Bezug auf Bereitschaftsdienstregelungen insbesondere eine Anpassung der maximalen Anzahl von Bereitschaftsdiensten bzw. die Einrichtung von Öffnungsklauseln an verschiedenen Stellen der Eckpunkte. Wir halten die Einrichtung von Öffnungsklauseln insbesondere für die kleineren Einrichtungen für geboten. Mit Dienstvereinbarungen auf der betrieblichen Ebene könnten insbesondere in folgenden Fällen abweichende Regelungen ermöglicht werden:

- frei an mindestens zwei Wochenenden im Monat,
- im Durchschnitt vier bzw. fünf Dienste im Kalendermonat,
- Dienstplanaufstellung und Dienstplanänderung (Ankündigungszeit und Strafzahlung).

Bezüglich der linearen Steigerungsschritte des öffentlichen Dienstes sollte bei der Übertragung auf die AVR eine Rückwirkung vermieden werden.

Was denken Sie persönlich zu dieser Tarifeinigung?
Die Tarifeinigung für die Ärzte stellt die Einrichtungen vor große Herausforderungen. So sind zum einen die finanziellen Auswirkungen der Gehaltserhöhungen bzw. der Komponenten für die Bereitschaftsdienstentgelte zu stemmen. Zum anderen gilt es, organisatorische Vorkehrungen zu treffen, um die tariflichen Vorgaben zum Bereitschaftsdienst umzusetzen. Hierbei denke ich insbesondere an die Entwicklung neuer Arbeitszeitmodelle (Schichtdienst) sowie die Entwicklung eines fachübergreifenden Bereitschaftsdienstes (Zusammenfassung von medizinischen Fachabteilungen). 
Die unternehmerischen Handlungsspielräume werden durch diese tariflichen Vorgaben immer mehr eingeengt. Die Tarifeinigung trägt auf der einen Seite der gesellschaftlichen Forderung nach Arbeitszeitverbesserungen im Sinne besserer Vereinbarkeit von Beruf und Familie Rechnung. Auf der anderen Seite wird der damit einhergehende Stellenaufbau im ärztlichen Dienst jedoch zu einer weiteren Verschärfung des Wettbewerbs zwischen den Kliniken führen.

Wir danken Herrn Werner Hemmes für dieses Interview!  

Statement

Statement zu den aktuellen Verhandlungen des Ärztetarifs in der Arbeitsrechtlichen Kommission der Caritas

Joachim Finklenburg, Mitglied der Dienstgeberseite der Arbeitsrechtlichen Kommission der Caritas (AK)

Herr Finklenburg, warum ist das Thema Bereitschaftsdienst so populär?

Das Thema Bereitschaftsdienst hat für die Gewerkschaft Marburger Bund einen hohen Symbolwert und daher große Bedeutung. Für die Arbeitnehmervertretungen funktioniert das Thema Bereitschaftsdienst als Hebel in Verhandlungen besser als Gehaltsforderungen. Der Marburger Bund und die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) haben im Frühjahr 2019 eine moderate Gehaltsforderung verhandelt, dafür aber sehr hohe Geldsteigerungen bei den Bereitschaftsdiensten in Kauf genommen. Letztendlich ging es sicherlich auch darum, Streiks zu vermeiden.

Das ist für die Unternehmen und ihre Einrichtungen ein großes Problem, da sie die Versorgung gewährleisten müssen. In den letzten Jahren wurden das deutsche und das europäische Arbeitsrecht zum Thema Bereitschaftsdienst sehr gut umgesetzt. Es wurden vor Ort zahlreiche Regelungen und Betriebsvereinbarungen ausgehandelt, die nun mit dem aktuellen Verhandlungsergebnis zwischen VKA und Marburger Bund ausgehebelt wurden. Fest steht, konkrete Regelungen können nur vor Ort getroffen werden und das wird sich schwierig gestalten. Die Größe, die Struktur, die Wettbewerbssituation und die Standortfrage der einzelnen Krankenhäuser sind sehr unterschiedlich, daher werden flexible Instrumente benötigt. 

Das gilt natürlich auch verstärkt für kirchliche Unternehmen. Derzeit steht die Umsetzung des Ärztetarifs auf der Tagesordnung der Arbeitsrechtlichen Kommission der Caritas. Unsere Einrichtungen unterscheiden sich in der Größe und der Breite noch einmal von den öffentlichen Einrichtungen. Wir benötigen daher an der einen oder anderen Stelle eigene, flexible Lösungen für die AVR.

Wir danken Herrn Joachim Finklenburg für dieses Statement!  

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